Abtauchen

Tiefenentspannung, emotionale Balance, die totale Ruhe: Der Wellness-Trend Floating verspricht vieles. Grund genug, sich im Selbstversuch einen Floating-Tank von innen anzusehen.

Was macht eigentlich unser Gehirn, wenn es von allen Reizen abgeschirmt wird? Wie fühlt sich die totale Entspannung an? Diese Fragen stellte sich der Neurologe Dr. John C. Lilly, der unter anderem die Wirkung der Meditation und der Droge LSD erforschte. Lilly entwickelte schliesslich auch die Idee, Wasser mittels hohem Salzanteil so schwer zu machen, dass es den Körper mühelos trägt – ähnlich dem Toten Meer. Lilly bemerkte sehr rasch, dass die Teilnehmer an Versuchen im Tank in einen tief meditativen Zustand versanken, der sich durch eine spezifische Frequenz der Hirnströme, sogenannte Theta-Wellen, verifizieren lässt. Diese Frequenz erscheint im EEG normalerweise nur während einer tiefen Meditation, beim Übergang vom wachen in den Schlafzustand.

Screen Shot 2013-10-30 at 7.00.57 PM

Soweit die Theorie. Und so viel auch zu meinem Vorwissen, als ich mich an einem unfreundlichen Herbsttag auf das Floating-Erlebnis einliess. Draussen regnete es in Strömen, das Rausgehen war keine verlockende Option. Dennoch suchte ich das Floating Center floatbern auf, das seit 2010 von Walter Bärtschi im Berner Marziliquartier betrieben wird.

Das Prinzip des Toten Meeres

Beim Floating (der englische Ausdruck für «schweben» oder «treiben») geschieht im Prinzip dasselbe wie bei einem Bad im Toten Meer, mit einem Unterschied: Da die Zusammensetzung der Mineralien im Toten Meer natürlich ist, enthält das Wasser auch giftige Substanzen. Daher gilt die Faustregel, nicht länger als eine halbe Stunde im Toten Meer zu baden. Das Wasser im Floating-Tank hingegen ist mit reinem Magnesiumsulfat versetzt, auch bekannt als Bittersalz. Durch Zugabe des Salzes wird die spezifische Dichte des Wassers auf etwa 1.25 Gramm pro Kubikzentimeter (ca. 1000 kg Salz auf 1200 l Wasser) erhöht, sodass der menschliche Körper ohne Berührung der Wanne in der Lösung schwebt. Das Wasser ist mit etwa 34.8 °C auf die menschliche Haut-Aussentemperatur eingestellt, so dass der Nutzer weder Wärme noch Kälte empfindet.

Medizinische Wellness

Liegt man zuhause zu lange in der Wanne, wird die Haut unangenehm schrumpelig. Das liegt daran, dass sich die Zellen in klarem Wasser mit Flüssigkeit vollsaugen und grösser werden. Nichts dergleichen geschieht in der Salzlösung. Im Gegenteil: Das Salzwasser wirkt sich positiv auf Hautkrankheiten wie Neurodermitis oder Akne aus. Verstopfte Talgdrüsen werden geöffnet, das Salz wirkt antientzündlich und die Übersäuerung des entzündeten Gewebes wird im Basenbad neutralisiert. Aber auch wer keine Probleme hat erfreut sich nach dem Floaten am samtweichen Hautgefühl.

Floating bringt viele weitere therapeutische Effekte mit sich: Durch das Schweben im Wasser entspannt sich die Wirbelsäule und findet in ihre natürliche Position zurück, der Kopf darf entspannt nach hinten absinken – ein Gefühl so ungewohnt, dass es im ersten Moment sogar als unangenehm empfunden werden kann. Durch diese totale Entspannung, das Loslassen jedes einzelnen Muskels, lösen sich jedoch Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich. Auch Patienten, die sich von einem Bandscheibenvorfall oder einem Schleudertrauma rehabilitieren, wird Floating als therapeutische Massnahme empfohlen.

Nicht zuletzt wird Floating zur Stressbewältigung eingesetzt. Burn-Out-Patienten finden im Tank die nötige Ruhe, um abzuschalten, das Gleichgewicht wieder zu finden und Kraft zu tanken. Die Palette der positiven Auswirkungen, die Floating auf den Menschen haben kann, ist lang und mit vorangegangener Aufzählung nicht vollständig abgedeckt. Aufgrund dieser Vielfalt möchte Floating-Center-Betreiber Walter Bärtschi den Trend weder auschliesslich im medizinischen noch im Wellnessbereich ansiedeln. Schlussendlich gehe es um «Well-Being», sei es auf körperlicher oder psychischer Ebene.

Besser als Schlaf

Nach einer gründlichen Einführung von Walter Bärtschi hiess es dann auch für mich: ab in den Tank. Zugegebenermassen noch etwas skeptisch, stieg ich ins angenehm körperwarme Wasser. Von Natur aus eine eher unruhige Person, die nicht lange stillsitzen kann, konnte ich mir anfangs nur schwer vorstellen, eine ganze Stunde praktisch unbeweglich in einem relativ engen, dunklen Tank zu liegen. Ausserdem beschlich mich ein wenig Platzangst, weshalb ich zu Beginn das winzige LED-Lämpchen im Tank brennen liess und erstmal die Augen schloss. Während ich anfänglich noch den Gedanken des laufenden Tages nachhing, beruhigte ich mich nach einer Weile merklich. Mein Herzschlag, den ich durch das Wasser hören konnte, wurde langsamer, ebenso die Atmung. Irgendwann konnte ich dann loslassen. Ich entspannte mich total und gab mich der ungewohnten Stille hin.

Geübte Floater sollen im Tank eine Art «Out-of-Body-Gefühl» erfahren. Das war bei mir nicht der Fall. Aber ich habe erfahren, wie angenehm es sich anfühlt, wenn die Grenzen zwischen dem eigenen Körper und dem körpertemperierten Wasser, das einen umgibt, verschwimmen. «Ungefähr so muss sich ein ungeborenes Baby im Mutterleib fühlen», schoss es mir durch den Kopf.

Irgendwann, ich konnte schon längst nicht mehr einschätzen, wie viel Zeit vergangen war, ging das Licht mit einem Surren an und leise Musik holte mich langsam wieder zurück in die Welt. Als ich wenig später draussen gegen Wind und Regen ankämpfte, fiel es mir plötzlich auf: Ich war wach, ausgeruht und energiegeladen. Ich fühlte mich, als hätte ich gerade im bequemsten Bett der Welt den verpassten Schlaf der letzten sechs Wochen nachgeholt. Und das Beste daran: Dieses Gefühl hielt etwa vier Tage an. Ich komme wieder!


floatbern
Aarstrasse 102 (Marzili) – 3005 Bern
031 311 02 50
info@floatbern.ch

Dieser Text erschien ursprünglich im ErgoPoint Magazin 2013, Bilder © floatbern



Schreibe einen Kommentar